6 Meine Meinung

13.4.2024

Krieg in Europa – das ist auch für uns eine Bedrohung. Es reicht nicht, zu beschwichtigen oder keine Waffen zu liefern. „Stell dir vor, es gibt Krieg, und keiner kann weg laufen…“ 1938 war ein schönes Beispiel: England wollte Hitler beschwichtigen, indem man ihm die Tschechoslowakei zum Fraß vorwarf. Das ist die Methode der Schafe, die hoffen, dass der Wolf sie nicht alle frisst, wenn man ihm ein Schaf zum Fressen überlässt.
Nun sind die Ukrainer aber keine Schafe. Sie sind mit großer Mehrheit dafür, sich gegen Putin zu verteidigen. Deshalb ist es das Ziel der ukrainischen Regierung, alle von den Russen eroberten Gebiete zurück zu gewinnen. Damit sieht es zur Zeit trübe aus. Putin wollte erst die ganze Ukraine zerschlagen und eine Regierung von seinen Gnaden einsetzen. Das hat nicht funktioniert, jetzt möchte er nur noch die eroberten Gebiete behalten. Die Positionen sind unvereinbar, also wird auch nicht verhandelt.
Ich bin, wie man weiß, nicht neutral. Was Putin tut, ist Völkermord. Das widerspricht allem, was die UNO vertritt (und was Russland unterschrieben hat). Ich spreche ausdrücklich von Putin, nicht von den Russen. Die russische Zivilbevölkerung ist belogen und betrogen worden, und die Soldaten sind kriegsmüde. Die Schützengräben beider Seiten sind kalt und schlammig und voll von Ratten und Mäusen. Die ukrainischen Soldaten bekommen einige Erholungspausen, und Verwundete werden geborgen – die russischen Soldaten nicht, sie sind einfach Kanonenfutter (siehe Kapitel 4, „Fleischangriffe“). Die Fronten haben sich festgefahren, das Land ist vermint und wirtschaftlich ruiniert. Wenigstens das hat Putin geschafft.
Putin wird weiter Raketen schicken, sonst wird sich nicht mehr viel bewegen. Er hofft, dass die westlichen Schafe den Krieg vergessen und die Ukraine im Stich lassen. Ganz so wird das nicht passieren, aber die Waffenlieferungen werden nachlassen, weil die NATO keine Waffen mehr hat und nicht auf Kriegsproduktion eingestellt ist. Russland gibt 29% seines Staatshaushalts für den Krieg aus und bekommt noch Waffen aus Nordkorea und dem Iran.
Derweile sorgt Putin im Nahen Osten für Ablenkung. Als Israel bereit war, Waffen an die Ukraine zu liefern, griff die Hamas Israel an – die Absprache zwischen Putin und dem Iran ist ziemlich offensichtlich. Dass Israel selbst Waffen braucht, hält die USA beschäftigt, und die sind durch den Streit zwischen Trump und Biden zusätzlich gelähmt.
Wenn Trump gewählt wird, dann hat Putin freie Bahn. Trump glaubt, dieser Krieg wäre nur ein kleiner europäischer Konflikt und ginge die USA nichts an. Das dachten die Amerikaner auch am Anfang der beiden Weltkriege, bis sie durch England zum kriegsentscheidenden Eingriff getrickst wurden.
Putin denkt längst in größeren Zusammenhängen. Er ist mit Persien (und Nordkorea) verbündet, und die Nahostkonflikte halten die USA von Europa fern.
Der tschetschenische Terroranschlag vom März 2024 kam Putin nicht so recht, aber er deutete das schnell um als Werk der Ukraine.
Die Ukraine kann erreichen, dass sich die russische Schwarzmeerflotte auf Abstand halten muss. Was nicht funktionieren kann, ist eine Rückgewinnung der Krim. Auch wenn sie militärisch fallen sollte, dann müsste das durch eine demokratische Volksabstimmung legitimiert werden. Aber sie war seit der Eroberung durch Katharina russisch, und jetzt leben dort mehr Russen als vor dem Krieg, und sie werden nicht für die Ukraine stimmen – außer die Krimtataren, die von Stalin unterdrückt und größtenteils deportiert wurden.
Die besetzte Ost-Ukraine wird wahrscheinlich verloren sein. Die Ukraine wird das nicht anerkennen, aber im Übrigen wird sich die Ukraine der EU und der NATO anschließen. Moldawien wird das Gleiche tun, und wenn es wirtschaftlich aufgeholt hat, wird es sich mit Rumänien vereinigen. Transnistrien wird vielleicht irgendwann aufgeben.
Aber das andere Szenario ist auch noch möglich: Der Westen liefert nicht genügend Waffen, die Ukraine bricht zusammen und wird von Russland geschluckt. Sobald Odessa erobert ist, wird Transnistrien russisch. Dann kommt der nächste Streich. Die russische Propaganda spricht bereits von der Eroberung des Baltikums. Dann kommen die baltischen Staaten dran, und Moldawien. Ungarn ist schon fast wieder ein russischer Vasallenstaat, ohne Pressefreiheit, mit Schwulenhatz und mit einer Einparteienregierung. Es ist ein Wunder, dass Ungarn noch in der NATO ist.
Ich möchte meinen bescheidenen Beitrag dafür leisten, dass wir (ganz Europa) in Frieden leben können.
Wolfgang Baer