Verschleppte Kinder online zur Adoption angeboten

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Russland: Verschleppte Kinder online zur Adoption angeboten

von Christian Rohde
13.06.2024 | 15:57|

Die USA werfen Russland „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ vor. Der Grund: Aus der Ukraine entführte Kinder werden zur Adoption angeboten. ZDF frontal hat bereits berichtet.

Seit Russland die Ukraine überfallen hat, wurden Hunderttausende ukrainische Zivilisten nach Russland verschleppt. Darunter sind auch zigtausende Kinder, die gewaltsam von ihren Familien getrennt wurden. Die US-Regierung teilte nun mit, ihr lägen „neue glaubwürdige Berichte“ vor, dass aus der Ukraine entführte Kinder in Russland auf Webseiten zur Adoption angeboten werden.

Der Sicherheitsberater der Biden-Administration, Jake Sullivan, sprach von „verabscheuungswürdigen und entsetzlichen Verbrechen gegen die Menschlichkeit“. Der Fall zeige, dass Russland nicht einen Krieg nur gegen das ukrainische Militär, sondern auch gegen das ukrainische Volk führe. Seit Beginn des Angriffs auf die Ukraine hat Russland viele tausende ukrainische Kinder verschleppt.

Russische Adoptionswebseite: Identität von Kindern verschwiegen

Hintergrund sind offenbar auch neue Recherchen der „Financial Times“. Reporter der britischen Tageszeitung haben vier ukrainische Kinder identifiziert, die auf einer von der russischen Regierung betriebenen Adoptionswebseite angeboten werden.

Laut dem Bericht wurden die Minderjährigen aus staatlichem Heimen in der Ukraine entführt. Ihre Herkunft und Identität wird demnach verschwiegen. Wie viele andere ein ähnliches Schicksal erleiden, ist unbekannt.

Die ukrainische Regierung sprach zuletzt von 20.000 verschleppten Minderjährigen. Ob die Zahlen stimmen, ist – wie so oft im Krieg – schwer zu beurteilen. Das Humanitarian Research Lab der US-Universität Yale spricht von mindestens 6.000 Kindern und Jugendlichen, die auf die Krim oder ins russische Kernland systematisch verschleppt worden seien.

Russische Kriegsverbrechen: Wenn verschleppte Kinder zurückkehren
frontal-Recherchen decken 2022 Zwangsdeportationen auf

ZDF frontal hatte bereits wenige Monate nach Kriegsbeginn aufgedeckt, wie Kinder und Jugendliche aus Cherson deportiert und zwangsadoptiert wurden. Als die Russen die Hafenstadt im März 2022 besetzten, boten sie ukrainischen Kindern und Jugendlichen Erholungsferien auf der Krim an.

Staatliche Heime werden von speziellen Trupps der Sicherheitsbehörden durchsucht. Kinder und Erzieher werden gezwungen in russischen Gebiete umzusiedeln. Als die Ukrainer Cherson zurückerobern, wird klar, dass die Deportierten in Russland bleiben müssen.

Lwowa-Belowa Verantwortliche für Deportationen

Dass aus der Ukraine verschleppte Kinder in Russland zur Adoption über staatliche Stellen an russischstämmige Eltern vermittelt werden, ist seit Beginn des Überfalls auf die Ukraine Teil der vom Kreml gesteuerten Umsiedlungspolitik. Verantwortlich dafür ist Putins „Ombudsfrau für Kinderrechte“ Maria Lwowa-Belowa.

Bereits im März 2022 sprach sie im russischen Fernsehen davon, dass ukrainische Heimkindern nach Russland transportiert worden seien. Die Minderjährigen sollten über das ganz Land in Heimen und später in russische Familien „integriert“ werden. Lwowa-Belowa selbst habe ein 15-jähriges Kind aus Mariupol adoptiert, sagte sie lächelnd im Staatsfernsehen und Putin nickte anerkennend.

Verschleppungen von Kindern Teil russischer Kriegsführung

Verschleppungen gehören zum festen Bestandteil russischer Kriegsführung. So will die Armee Unsicherheit und Ängste in der ukrainischen Bevölkerung säen und den Willen zur Verteidigung brechen.

Entführte Kinder: SOS-Kinderdörfer involviert

Der Internationale Strafgerichtshof (ICC) hat im vergangenen Jahr Haftbefehle gegen den russischen Präsidenten und seine Ombudsfrau Lwowa-Belowa erlassen. Beide werden vom Gericht persönlich für das Kriegsverbrechen der unrechtmäßigen Deportation von Kindern verantwortlich gemacht.