In verstrahlte Erde eingegraben

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In verstrahlte Erde eingegraben: Die brutalen Kreml-Taktiken im Ukraine-Krieg

07.05.2024, 05:03 Uhr

Von: Paula Völkner

Zu Beginn des Ukraine-Kriegs wurden russische Truppen in der verstrahlten Sperrzone von Tschernobyl stationiert. Ein weiterer menschenverachtender Akt von Putins Kriegsführung.

Tschernobyl – Als es im Jahr 1986 zur Nuklearkatastrophe im Atomkraftwerk Tschernobyl kam, hat die sowjetische Führung das Ausmaß der Katastrophe zu vertuschen versucht. Die gezielte Politik der Desinformationen kostete damals zahlreiche Menschenleben. Bis heute hält Russland an der Erzählung fest, infolge der Reaktorexplosion seien nur wenige Menschen gestorben. Als Russland im Februar 2022 in die Ukraine einmarschiert ist, soll die Skrupellosigkeit des Kremls in Tschernobyl erneut Menschenleben gekostet haben.

Berichten der Kyiv Post zufolge sollen Hunderte russische Soldaten zu Beginn des Ukraine-Kriegs in Schützengräben aus verstrahlter Erde gelebt haben. Auch das Flugverbot, das im Luftraum über dem Kraftwerk gilt, sollen die russischen Truppen ignoriert haben. Der erste Soldat, der in der Sperrzone von Tschernobyl stationiert gewesen war, soll nach einer Erklärung der russischen Armee, die von ukrainischen Medien verbreitet worden war, bereits wenige Wochen nach seinem Einsatz gestorben sein.

Ukrainischer Energieminister über russische Besatzung: „Jeder nimmt ein Stück Tschernobyl mit nach Hause. Tot oder lebendig“

Am 24. Februar 2022 besetzen russische Truppen das Atomgelände rund 150 Kilometer nördlich von Kiew, nahe der Grenze zu Belarus. Bereits im April berichtete tagesschau von den Aussagen einer Mitarbeiterin des havarierten Atomkraftwerks. Nach Angaben von Ljudmilla Kosak sollen die russischen Truppen alle Sicherheitsvorschriften missachtet haben. Wie auch im Bericht der Kyiv Post, sagte Kosak, die russischen Soldaten hätten Schützengräben in der Sperrzone ausgehoben. „Jeder russische Soldat nimmt ein Stück Tschernobyl mit nach Hause. Tot oder lebendig“, sagte der ukrainische Energieminister Herman Haluschtschenko damals.

Auch der ukrainische Nuklearingenieur, Oleksander Menzul, schätzte im Februar die Chancen für das Überleben der russischen Soldaten schlecht ein. Gegenüber der staatlichen Nachrichtenagentur Ukrinform sagt er: „Keiner der russischen Soldaten, die dort waren, hat überlebt.“ Damit meint der Nuklearingenieur jene Soldaten, die im sogenannten „Roten Wald“ waren. Es handelt sich dabei um ein 10 Quadratkilometer großes unbewohntes Waldstück, das infolge des Reaktorunglücks der Hauptlast der durch den Wind getragenen Strahlung ausgesetzt war.

Bis zu 2000 russische Soldaten sollen auf dem Tschernobyl-Gelände stationiert gewesen sein

Laut Bericht der Kyiv Post sollen sich zwischen 200 und 500 russische Kampftruppen in dem Gebiet des Waldes eingegraben haben. Die Truppenplaner sollen ursprünglich damit gerechnet haben, dass die Soldaten auf ukrainischem Gebiet einquartiert werden können. Weil der Angriff auf das Land jedoch nicht nach Plan des Kreml verlaufen war, kamen die Soldaten längere Zeit auf dem Gelände des havarierten Atomkraftwerks unter. Insgesamt sollen bis zu 2000 russische Soldaten langfristig in der Region stationiert gewesen sein.

Russische Truppen verteilten radioaktiv verstrahlten Sand beim Bau von Verteidigungsstellen

Ein Nationalgardist sagte laut Kyiv Post gegenüber der Forschungsgruppe Media Initiative of Human Rights, die russischen Truppen sollen nicht gewusst haben, „dass es sich um Strahlung handelt, die schädlich ist.“ Die russischen Soldaten sollen daher nicht nur sich, sondern auch andere Soldaten der Strahlung ausgesetzt haben. Die Soldaten sollen Sandsäcke mit ausgegrabenem Dreck befüllt haben, die für den Bau von Verteidigungsstellungen rund um das Gebiet genutzt worden seien.

Ende März 2022 sollen sich die russischen Truppen von dem Gebiet zurückgezogen haben. Damals erklärte der ukrainische Außenminister, Dmytro Kuleba, Russlands Präsident, Wladimir Putin, habe seine Streitkräfte radioaktiver Strahlung ausgesetzt und damit deren Gesundheit aufs Spiel gesetzt.