Süddeutsche Zeitung
Strafgerichtshof erlässt Haftbefehle gegen Schojgu und Gerassimow
25. Juni 2024, 13:50 Uhr
Der frühere russische Verteidigungsminister Schojgu und Generalstabschef Gerassimow sollen für Kriegsverbrechen in der Ukraine verantwortlich sein. Gegen Präsident Putin liegt bereits ein Haftbefehl vor.
Der Internationale Strafgerichtshof hat wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen in der Ukraine Haftbefehle gegen den früheren russischen Verteidigungsminister Sergej Schojgu sowie Generalstabschef Walerij Gerassimow erlassen. Das teilte das Gericht am Dienstag in Den Haag mit.
Schojgu war im Mai vom russischen Präsidenten Wladimir Putin als Verteidigungsminister entlassen worden. Das Gericht hatte bereits zuvor einen Haftbefehl gegen Putin erlassen.
Den Männern werden gezielte Angriffe auf zivile Ziele zur Last gelegt. So gebe es Hinweise, dass sie verantwortlich seien für die gezielten Bombardierungen der russischen Armee auf das Elektrizitätsnetz der Ukraine von Oktober 2022 bis mindestens März 2023.
Das Weltstrafgericht hat selbst keine Möglichkeiten, Haftbefehle zu vollstrecken. Aber alle Vertragsstaaten des Gerichts sind verpflichtet, die Gesuchten festzunehmen und dem Gericht zu überstellen, sollten sie sich auf ihrem Staatsgebiet befinden.
Russland wegen Menschenrechtsverletzungen auf der Krim verurteilt
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in einem Urteil festgestellt, dass Russland seit zehn Jahren auf der besetzten Krim systematisch Menschenrechtsverletzungen begeht. Es gehe dabei unter anderem um Tötungen, Verschleppungen, willkürliche Inhaftierungen, die Verweigerung fairer Gerichtsverfahren, Diskriminierung und die Einschränkung individueller Freiheit. Gegen diese fundamentalen Rechte, wie sie in der Europäischen Menschenrechtskonvention niedergelegt sind, hätten russische Behörden nicht nur verstoßen, schreiben die Richter, Russland komme auch seiner Verpflichtung nicht nach, solche Verstöße zu untersuchen.
Durch den Missbrauch des Strafrechts würden politische Oppositionelle zudem zum Schweigen gebracht, heißt es weiter. Und konkret wird Russland dazu verurteilt, Gefangene, die von der Krim aus in russische Haftanstalten überführt worden seien, „so schnell wie möglich“ sicher zurückzubringen. Praktische Auswirkungen dürfte das jedoch keine haben, da Russland dieses Gerichts nicht anerkennt. Das Verfahren hatte die Ukraine angestoßen.
Die Richter schreiben in ihrer Entscheidung, dass sie genügend Belege dafür gesammelt hätten, dass die Verstöße so zahlreich seien und miteinander in Verbindung stünden, dass man von einem Muster oder einem System von Menschenrechtsverletzungen sprechen könne. Diese würden von offiziellen russischen Stellen toleriert – auch weil Russland auf der Krim seine Gesetze eingeführt habe, seit es die ukrainische Schwarzmeer-Halbinsel 2014 besetzt hat. Das Völkerrecht schreibe für besetzte Gebiete eigentlich vor, das dort geltende Recht in Kraft zu lassen.