Tagesspiegel
Dienstag, 18.07.2023 – von Dana Schülbe
Nach dem Scheitern der Meuterei von Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin ist auch die Zukunft seiner Unternehmen ungewiss, wie wir bereits in diesem Newsletter berichtet hatten. Anfang Juli wurde bekannt, dass die Medienholding Prigoschins abgewickelt wird. Nun ist es der russisch-oppositionellen Webseite Bumaga gelungen, mit einigen ehemaligen Mitarbeitern zu sprechen.
Diese berichten über den Alltag in der Holding „Patriot“, zu der auch Trollfabriken gehörten. Lange hätten sie nicht sprechen können, heißt es in dem Bericht, da die Mitarbeiter Vertraulichkeitsvereinbarungen unterschreiben mussten. Nach dem Zusammenbruch des Unternehmens aber äußern sie sich – anonym.
So berichten einige, dass Lügendetektortests bei den Mitarbeitern üblich gewesen seien. Ein Mitarbeiter berichtete demnach, dass dieses System Ende 2019, kurz nach der Eröffnung von „Patriot“, eingeführt worden sei. Manchmal habe es auch neue Tests gegeben für diejenigen, die bereits seit zwei Jahren dort gearbeitet hätten. Auch seien Mitarbeiter mithilfe elektronischer Ausweise und Kameras überwacht worden.
Aus dem Bericht geht auch die Arbeitsweise der Medienholding hervor. So habe die Aufgabe einer Trollfabrik darin bestanden, den Gouverneur von St. Petersburg zu diskreditieren. Außerdem sagten zwei ehemalige Mitarbeiter im Gespräch mit der Zeitung, dass die Aufgabe der Medien von Prigoschin darin bestand, so viel Informationslärm zu erzeugen, dass die eigentlichen Nachrichten von der Front untergingen. So hätten sie die Menschen mit Problemen in anderen Ländern abgelenkt oder enorm viel über heimische Prominente gesprochen oder Filmkritiken veröffentlicht.
Und dann ist da noch die Sache mit den Berichten über angebliche Übergriffe von Ukrainern auf Zivilisten im Donbass. Der Kreml hatte immer wieder propagiert, die Ukraine verübe dort einen Genozid. Laut dem Bericht sagte ein Mitarbeiter von Prigoschins Holding nun, dass die vermeintlichen Opfer oft Statisten und Schauspieler waren. Sie hätten die vorgegebenen Sätze einstudiert und auch versucht, die eine oder andere Träne vor der Kamera herauszubekommen.