Gefälschte Nachrichtenseiten

Spiegel
30.08.2022, 17.48 Uhr
Gefälschte deutsche Nachrichtenseiten verbreiten prorussische Propaganda

Für eine Kampagne auf Facebook haben Trolle Fake-Seiten etablierter Medien nachgebaut, auch vom SPIEGEL. Die Inhalte sind abenteuerlich – allerdings auch gespickt mit Rechtschreibfehlern.

Auf Facebook und Twitter kursierten seit mehreren Wochen Links zu gefälschten deutschen Nachrichtenseiten, die prorussische Propaganda verbreiten. Das geht aus einem Bericht des Nachrichtenportals »t-online« hervor. Die gefälschten Websites imitierten die Angebote von etablierten Medien wie »FAZ«, »Tagesspiegel«, »Bild«, »t-online« und auch des SPIEGEL. Die Beiträge wurden Facebook-Nutzern mindestens seit Juli als gesponserte Posts im Newsfeed angezeigt oder wurden im Kommentarbereich anderer Seiten veröffentlicht.

»T-online« berichtet von insgesamt 30 verschiedenen Fake-URLs zu Websites, die sich als deutsche Medien ausgeben . Verbreitet wurden die Links zu den Seiten demnach von hunderten sogenannten Sockenpuppen-Accounts. Diese Accounts sind offenbar massenhaft und softwaregestützt generiert worden. Im Falle der aktuellen Kampagne hatten die Accounts bei Namen, Beruf und Profilfotos viele Gemeinsamkeiten, die echte Personen sonst nicht haben.

Obwohl die Artikel exakt an das Layout existierender Nachrichtenwebsites angepasst wurden, sind die Fälschungen der etablierten Medien inhaltlich plump bis sehr plump: Sprachlich ist oft auf den ersten Blick erkennbar, dass die Verfasser der Artikel nicht besonders gut Deutsch können. Klobige Sätze, ungewöhnliche Formulierungen und manchmal sogar kyrillische Worte in den gefälschten Artikeln lassen die Artikel neben ihrer eindeutigen Stimmungsmache herausstechen.

Das Ziel: Wut schüren

Ein Video behauptet etwa, »Frau Berbock« habe die Grünen verraten, »um eine atomare Apokalypse vorzubereiten«. Eine Fake-FAZ stellt fest: »Viele Dinge kosten heute erheblich teuerer als früher«. Unter einem gefälschten »t-online«-Video haben die Autoren vergessen, das russische Wort für »Unterschrift« zu löschen. Und ein vermeintlicher SPIEGEL-Artikel fantasiert, eine Schule sei explodiert, weil sie »gezwungen« worden sei, »mit dem Sparen zu beginnen und Gas portionsweise in das System einzuspeisen, weil der Preis für den blauen Brennstoff stark gestiegen war«. All diese Beiträge sind inhaltlich falsch.

Gefälschte Nachrichtenportale tauchten in der Vergangenheit schon häufiger im Netz auf, etwa um die Flüchtlingskrise 2015 und 2016. Das Ziel der Beiträge dürfte auch diesmal das gleiche sein wie bei früheren Desinformationskampagnen: Sie sollen Wut schüren, irritieren und das Vertrauen in etablierte Medien untergraben. Unklar ist allerdings, wie häufig die Links überhaupt auf Facebook geteilt wurden und wie erfolgreich die Kampagne war. Facebooks eigenes Link-Analysetool Crowdtangle bietet dazu keine aussagekräftigen Zahlen.

Ob die Links im aktuellen Fall von echten Nutzerinnen und Nutzern weiterverbreitet wurden oder nur von den Sockenpuppen-Accounts, lässt sich ebenfalls nicht ohne Weiteres analysieren. Ein Blick in zahlreiche einschlägige Telegram-Gruppen zeigt, dass die Inhalte der Fake-Seiten dort fast gar nicht verbreitet wurden, obwohl sie inhaltlich gut zur Ausrichtung der Gruppen passen.

Dementsprechend äußern sich laut »t-online« auch deutsche Behörden zurückhaltend zu dem Thema. Das Phänomen gefälschter Medienseiten sei nicht neu, hieß es etwa vom Bundesamt für Verfassungsschutz.

Wie Sie Fälschungen erkennen

Um einen Fake zu erkennen, lohnt sich neben genauem Lesen auch ein Blick in die Adressleiste des Browsers. Die gefälschten Websites können nicht von den Domains der Nachrichtenseiten wie zum Beispiel »https://www.spiegel.de« stammen, sondern haben ähnlich klingende, oft aber viel längere Adressen.

Die EU hatte als Reaktion auf den Angriffskrieg in diesem Jahr russische Staatsmedien sanktioniert . Um die Stimmung im Netz im Sinne des Kremls zu beeinflussen, sind verdeckte Desinformationskampagnen damit eine wichtige Alternative. In einem vierteljährlich erscheinenden Bericht  hatte Meta erst Anfang August eine russische Trollkampagne identifiziert und nach eigenen Angaben 45 Accounts auf Facebook sowie rund 1000 Accounts auf Instagram gelöscht. Meta untersuche laut »t-online« auch im Falle der jüngsten Kampagne die Fake-Accounts. Doch trotz der Untersuchung von Meta sind einige Konten weiterhin auf der Plattform zu finden.
loc