Alina Lipp

ZDF
Deutsche Influencerin : Wie Alina Lipp Putins Propaganda verbreitet
von Anna Loll und Thomas Wendrich
07.09.2023 15:15 Uhr

Niemand betreibt so erfolgreich prorussische Propaganda in Deutschland wie Alina Lipp. Ihr angebliches Motiv: die Wahrheit über den Krieg in der Ukraine verbreiten.
Die deutsche Bloggerin berichtet aus den russisch besetzten Gebieten in der Ukraine.

Alina Lipp wurde 1993 in Hamburg geboren. Früher engagierte sie sich bei den Grünen in der Kommunalpolitik, heute berichtet sie im Ukraine-Krieg von der Front – und zwar von der russischen Seite. Auf Telegram folgen ihrem Kanal „Neues aus Russland“ fast 200.000 Menschen.

Niemand hat in Deutschland eine so große Reichweite mit prorussischen Berichten wie die 29-Jährige. Ihre Motivation, sagt Alina Lipp im exklusiven Interview mit dem ZDF: Sie wolle „die Wahrheit“ in die Öffentlichkeit tragen. Medien im Westen berichteten nicht darüber, dass die Menschen in der Ostukraine Opfer der ukrainischen Regierung seien. In Kiew herrschten Nazis. Russland rette Menschen vor einem angeblichen „Genozid“.

Alina Lipp kritisiert: Was mir nachgesagt wird, wenn über mich berichtet wird, dass ich eine Art Kreml-Puppe sei.

Das sei nicht der Fall. Und weiter: „Was ich mir wünschen würde, ist, dass man in Deutschland versteht, dass ich das alles nicht nötig habe. Ich habe da überhaupt nichts von dem, was ich tue.“ Doch ganz so einfach ist es nicht. Eine unabhängige Berichterstattung ist nur mit kritischer Distanz zum russischen Machtapparat möglich.

Der Krieg in der Ukraine wird nicht nur mit Waffen, sondern auch mit Worten geführt. Propagandisten versuchen auch in Deutschland, die öffentliche Meinung zu manipulieren.

Die Wandlung der Alina Lipp

Alina Lipp aber leitet russische Propaganda und Desinformation ungefiltert weiter. In ihrer neuen Heimat wird sie als mutige Dissidentin gefeiert, tritt in Talkshows des russischen Staatsfernsehens auf und wird von Kreml-Vertreter*innen unterstützt. Zunächst war nicht absehbar, dass Alina Lipp in diese Rolle schlüpft.

Doch nach der Annexion der Krim 2014 scheint sie mit ihrer pro-russischen Haltung immer mehr den Bezug zur deutschen Mehrheitsgesellschaft und ihren liberalen Werten verloren zu haben. Damals lebte sie noch in Norddeutschland, 2021 zieht Lipp nach Donezk, beginnt als Reisebloggerin und wird auf ihren Social-Media-Kanälen schnell politisch.

„Alina Lipp stellt sich ja gerne als Person dar, die gegen den angeblichen ukrainischen Faschismus kämpfen würde, als die Person, die sich für Frieden einsetzt, für Kinder – also erstmal Werte vertritt, die nach außen so wirken, als würden viele Menschen ihnen zustimmen“, sagt Pia Lamberty, Sozialpsychologin und Geschäftsführerin des Centers für Monitoring, Analyse und Strategie (CeMAS): „Dahinter steckt aber eben knallharte russische Propaganda, menschenverachtende Haltungen, die so ein bisschen kaschiert werden sollen.“

Gezielte Desinformation

Alina Lipp behauptet beispielsweise auf ihrem Kanal „Neues aus Russland“: „Es ist wirklich so: Die Russen sind nicht die Bösen. Die Russen nehmen gerade – ganz platt gesagt – den Nazis die Waffen weg.“

Damit verbreitet sie ein zentrales Narrativ des Kreml: Die Russen als Retter, die die Ukraine von Nazis befreien. So rechtfertigt die russische Regierung den Angriffskrieg in der Ukraine.

Als im Frühjahr das Massaker an der Zivilbevölkerung in der ukrainischen Stadt Butscha für weltweites Entsetzen sorgte, teilte Alina Lipp auf ihrem Kanal einen Post, der das Massaker als eine Inszenierung darstellte. Die Toten auf den Straßen seien Schauspieler, die von Ukrainern dort hingelegt worden seien, um die russische Armee in Misskredit zu bringen. Im Interview mit dem ZDF mutmaßt sie, die Ukrainer hätten die Zivilisten umgebracht und dann ihre Leichen auf die Straße gelegt. Sie bleibt also – trotz abweichender Darstellung – bei ihrer Meinung, es habe sich um eine Inszenierung gehandelt.

Millionen Menschen hören täglich die immer gleiche Erzählung vom Völkermord in der Ukraine und der Bedrohung Russlands durch Feinde von außen. Auf verschiedenen Kanälen, finanziert vom Kreml. Doch die Propaganda verfängt nicht mehr bei allen.

„Praktisch jede Falschmeldung über den Krieg in der Ukraine im deutschsprachigen Raum läuft über den Kanal von Alina Lipp“, sagt Viktor Marinov vom Faktencheck-Verbund Correctiv. „Es sind Beiträge, die können verunsichern, können Angst machen und die können auch Leute dazu führen, andere zu hassen. Und das kann die Gesellschaft im schlimmsten Fall spalten.“

Laut einer aktuellen Studie der CeMAS glaubt knapp jede fünfte Person in Deutschland, Wladimir Putin würde gegen eine globale Elite vorgehen, die im Hintergrund die Fäden zieht. Alina Lipp hat hier als erfolgreiche Influencerin eine Schlüsselrolle, um die Position des Kreml trotz der Zensur der russischen Staatsmedien nach Deutschland zu tragen.

Lipp sieht in Propaganda kein Problem

Sie selbst sieht darin kein Problem. Propaganda gebe es in Kriegszeiten auf beiden Seiten: „Also ich persönlich weiß natürlich alles, was sich an der Front abspielt. Ich weiß alles, was nicht gut läuft. Ich weiß alles, was gut läuft.“ Das stimmt höchstens für die russische Seite der Front.

Denn Alina Lipp informiert sich einseitig, ignoriert Fakten. Damit rechtfertigt sie einen Angriffskrieg gegen die Ukraine mit Zehntausenden Opfern. Und trotz aller Faktenchecks glauben ihr immer mehr Menschen.