R-U-Krieg: Kurzfassung

Für den eiligen Leser – hier ist die Kurzfassung, ohne die lästigen Details, Querverweise und Quellenangaben.
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Es begann damit, dass ich XXXX erzählte, dass mein Vater im Januar 1945 desertiert war. „Da hätte er erschossen werden können“, sagte er. „Die Russen machen das jetzt auch wieder“, meinte ich. Er drauf: „Die Ukrainer auch.“ Ich war sprachlos, weil ich davon noch nie gehört hatte. Dann erzählte er mir noch, dass die NATO Russland bedroht hätte. Die Russen würden ja nur deshalb auf Wohngebäude schießen, weil die Ukrainer Zivilisten als menschliche Schutzschilde benutzten, eigentlich wollten sie ja nur kritische Infrastruktur zerstören… Das Thema hat mich einige schlaflose Nächte gekostet. Warum? Wir haben wieder Krieg in Europa. Acht Millionen Menschen sind aus der Ukraine ins Ausland geflohen, und sechs Millionen innerhalb der Ukraine. Die Zahl der Toten ist noch nicht bekannt, es dürften um die 100.000 sein. (Inzwischen 150.000, im Dezember 2023.) Verletzte: Mehr als 400.000. Ich bin gegen Krieg. Die UN übrigens auch. (Russland hat das unterschrieben.)
(Kapitel 3: Wer hat welche Verträge unterschrieben bzw. gebrochen?)
 
Die Äußerungen von Frau YYYY (Irgendwie sind ja beide Seiten schuld, alle korrupt, Oligarchen und so, kann man ja beide Seiten ein bisschen verstehen..) bringen mich gleichfalls in einen Konflikt. Ich glaube nämlich, dass die Russen in die Ukraine eingefallen sind, und nicht umgekehrt. Wer ist der Mörder, wer ist das Opfer? Soll man dem Mörder gut zureden, dass er nach Hause geht? Wird er Erbarmen haben, wenn das Opfer sich nicht wehrt? Oder soll man dem Opfer helfen? Dass der Mörder friedlich wird, wenn das Opfer am Boden liegt, ist ein schönes Märchen. Ich habe im Knast gearbeitet, die Leute da haben sich anders verhalten. Genau so ist es im Krieg. „Frieden schaffen ohne Waffen“ hört sich nett an, aber wenn der Andere nicht nach lässt, dann gibt es keinen Frieden. Nur noch „Ruhe in Frieden“. Gilt das Gebot von gegenseitiger Hilfe nicht mehr? Kann ich mich auf meine Freunde noch verlassen? Oder werden sie, wenn ich auf der Straße zusammengeschlagen werde, daneben stehen und sagen „Irgendwie kann man ja beide Seiten ein bisschen verstehen“? (Die Frau war selber schuld, als sie vergewaltigt wurde. Warum trug sie auch einen kurzen Rock)

Ich fand mich in einem schweren Konflikt. Plötzlich fühlte ich mich nicht mehr sicher. Ich glaubte an gegenseitige Hilfe bei Gefahr. Jetzt hatte mein Vertrauen einen Riss. Wie kann man so gleichgültig sein, wenn vor unserer Haustür ein ganzes Land zerstört wird? Das mit den Deserteuren, so viel weiß ich inzwischen, ist nicht ganz so hässlich, wie ich gemeint hatte. Beide Seiten sperren Deserteure ein, die Russen begnadigen sie sogar, damit sie gleich weiter kämpfen können. Weil mir das Ganze keine Ruhe ließ, suchte ich bessere Informationen. XXXX nannte mir die Quellen, aus denen er sein Wissen hat. Hier ist das Ergebnis.
 
 
Grundsätzlich: Ich lebe gern in einer Demokratie. Neben der Anarchie (die bisher immer nur kurze Zeit funktioniert hat, weil sich immer wieder jemand das Recht heraus nahm, über Andere zu herrschen) ist sie die einzige Gesellschaftsform, in der Jeder und Jede frei die Meinung äußern und über das eigene Leben entscheiden kann. Auch die ideale Demokratie gibt es nicht; Machtstrukturen, ökonomische Zwänge und Ungerechtigkeit gibt es überall. Aber das ist nicht zu vergleichen mit Diktaturen, in denen kritische Äußerungen unterdrückt, Oppositionelle eingesperrt oder gemeuchelt, Minderheiten bekämpft, Informationen unterdrückt und nach Belieben fremde Länder angegriffen werden. All das ist in Russland der Fall, und auch in China, Nordkorea, Iran undsoweiter. (Ist es da verwunderlich, dass Russland aus diesen anderen Ländern Waffen bezieht?) (Nicht ganz. Die persischen Lieferungen von Shahed-Drohnen dürften ja allgemein bekannt sein. Kim Jong Un hat schon Waffen geschickt), und gemeinsam beschwören sie den „heiligen Krieg gegen den Imperialismus“. Den westlichen Imperialismus nämlich. China hat nur Bauteile für Waffen geliefert.) Ich lebe in Berlin. Deshalb habe ich Erfahrungen gemacht, die Westdeutsche nicht erlebt haben. Die Blockade, die Mauer, der Stacheldraht und die Stasi waren für mich sehr nahe. Die DDR war ein Polizeistaat von Stalins Gnaden. Zwei Mal gab es einen Volksaufstand mit jeweils einer Million Menschen auf der Straße, wie auch in Prag, in Ungarn, in Polen, in Weißrussland und schließlich in der Ukraine. Jedes Mal hat sich die westdeutsche Regierung „pazifistisch“ verhalten, und immer kam die Sowjetarmee (oder ihre Nachfolger) den Machthabern zu Hilfe. Sie hatte vorübergehend Erfolg, bis die Sowjetunion an ihrer Misswirtschaft zerbrach und sich das Volk der abhängigen Staaten die Unterdrückung nicht mehr gefallen lassen wollte. Wo die Sowjetarmee das Regime retten konnte, gab es Massenverhaftungen (15000 in der DDR 1953), Todesurteile (in der DDR 1953, Ungarn 1956), Bespitzelung und Verbot aller kritischen Meinungsäußerungen. Ich bin kritisch und nicht neutral. Wenn eine Million Menschen auf die Straße geht, um gegen ein autoritäres Regime aufzustehen, und dann auch noch in demokratischen, fairen, freien und geheimen Wahlen dieser Wille der großen Mehrheit des Volkes bestätigt wird, dann bin ich für diese Mehrheit. Die Propaganda der Unterdrücker ist für mich nicht glaubhaft. Die Sowjetunion hat sich immer auf das Volk und die Oktoberrevolution berufen, aber als das Volk gegen die Sowjetunion und ihre Satellitenstaaten revoltiert hat, ging sie mit Soldaten dagegen vor. Dazu kommen die Ereignisse im Sommer 1945, die so nur in Berlin zu sehen waren. Ja, die Nazis waren schlimm, aber die Rote Armee hat geplündert, vergewaltigt und willkürlich verhaftet, und das KZ Sachsenhausen weiter betrieben. In der Ukraine haben sie Ähnliches vollbracht, das wurde von der UN dokumentiert, und Satellitenaufnahmen von Butscha zeigten die Leichen auf den Straßen – bevor die ukrainischen Soldaten kamen. Die Existenz einer gesellschaftskritischen Subkultur ist der Beweis dafür, dass hier abweichende Meinungen nicht unterdrückt werden. Das bringt sogar Nachteile mit sich. Auf abweichende Meinungen muss man sich einlassen, argumentieren, nach der Wahrheit forschen. (Absolute Wahrheit gibt es nicht. Aber man kann ihr näher kommen.) Das ist unbequem, bringt aber mehr Einsicht. Demokratien sind schwerfälliger. Autokraten haben es da leichter: Drauf hauen, einsperren, erschießen, vergiften. Der Nachteil für die Autokraten ist, dass das Volk irgendwann genug hat und sich befreien will.

Zur Langfassung: 1 Wer hat diesen Krieg angefangen?

Geschichte der Ukraine (gekürzte Kurzfassung)
(Wer das alles schon weiß, kann alles bis zum Krieg überspringen.)
 
Der erste ostslawische Staat war die Kiewer Rus im 9. Jahrhundert, eine Gründung unter Mitwirkung der Wikinger. 1199 entstand das Fürstentum Galizien-Wolhynien, 1648 das kosakische Hetmanat. Als der Krieg der Kosaken gegen Polen verloren zu werden drohte, unterwarf sich das Hetmanat dem russischen Zaren. (Die Ukraine sieht das heute als einen Vertrag, Russland interpretiert es als „Wiedervereinigung der Ukraine mit Russland“.) Im 19. Jahrhundert, unter russisch-zaristischer Herrschaft, begann sich auf dem Gebiet der heutigen Ukraine eine Nationalbewegung zu entfalten. Sie strebte die Formierung einer „ukrainischen“ Nation und als Endziel einen Nationalstaat an. Nach der Oktoberrevolution entstand auf einem Teil des Gebietes die Ukrainische Volksrepublik. Der westliche Teil des Landes wurde von Polen beansprucht, was 1919 den polnisch-sowjetischen Krieg auslöste, der mit einer Teilung endete. Die östliche Ukraine wurde nach dem Sieg der Roten Armee 1919 die Ukrainische Sozialistische Sowjetrepublik. Bei der Konstituierung der Sowjetunion 1922 war sie eines der Gründungsmitglieder. 1929 bis 1934 setzte Stalin die Kollektivierung der Landwirschaft durch, deportierte mehrere tausend Bauern nach Sibirien und plünderte die Getreideernte. Vier Millionen Ukrainer verhungerten („Holodomor“). Mit dem Hitler-Stalin-Pakt eignete sich die Sowjetunion die West-Ukraine wieder an. Die deutsche Besatzung kostete weitere vier Millionen Ukrainer das Leben, zwei Millionen wurden als Zwangsarbeiter nach Deutschland verschleppt. Allein im Massaker von Babij Jar tötete die deusche Wehrmacht etwa 100.000 Menschen. Nach der Schlacht von Stalingrad war die Sowjetunion militärisch fast besiegt. Nur durch das Eingreifen der USA konnte sie mit den Waffen versorgt werden, die schließlich den Krieg beendeten. Die USA schenkten der Sowjetunion fast 15.000 Flugzeuge, über 7.000 Panzer, große Mengen Waffen und Treibstoff. England schickte 3.000 Flugzeuge. Die gegenwärtige Waffenhilfe des USA für die Ukraine beruft sich auf dieses Gesetz von 1941. Nach dem zweiten Weltkrieg eignete sich Stalin die westliche Ukraine an, die polnische Bevölkerung wurde vertrieben. Als Ausgleich erhielt Polen die deutschen Ostgebiete. Bei der Gründung der Vereinten Nationen wurden auf Betreiben Stalins auch die Sowjetrepubliken Belarus und Ukraine deren Mitglieder. 1954 unterstellte Nikita Chruschtschow die bis dahin zur RSFSR (Russland) gehörende Krim der Ukraine. Nach dem Zerfall der Sowjetunion 1991 wurde die Ukraine erneut souverän, erstmals mit internationaler Anerkennung. Als Gegenleistung für den Verzicht der Ukraine auf die auf ihrem Territorium stationierten sowjetischen Nuklearwaffen garantierten Russland, die USA und Großbritannien im Budapester Memorandum von 1994 die Eigenständigkeit und die bestehenden Grenzen des Landes. Die ersten freien Wahlen in der Ukraine erfolgten 1990. Mit dem Zerfall der Sowjetunion erlangte die Ukraine im Dezember 1991 nach einem Referendum mit 90,3 % Zustimmung ihre staatliche Unabhängigkeit. Auch die Bevölkerung der Krim stimmte (knapp) für die Unabhängigkeit. Bei der Präsidentschaftswahl 2004 und den anschließenden Protesten, der sogenannten orangen Revolution, setzte sich der westlich orientierte Präsidentschaftskandidat, Wiktor Juschtschenko gegen den von Russland unterstützten Wiktor Janukowytsch durch. Die wichtigsten Protagonisten des orangen Lagers, Juschtschenko und Julija Tymoschenko, konnten sich aber in den folgenden Jahren nicht auf einen gemeinsamen Weg einigen, und viele Hoffnungen der Bevölkerung blieben unerfüllt. Die Unzufriedenheit mit der politischen Stagnation mündete in die Präsidentschaftswahl 2010, bei denen der russlandfreundliche Janukowytsch ins Präsidentenamt gewählt wurde. Für die Parlamentswahlen 2012 schränkte das Regime die Möglichkeiten der Opposition ein, die Wahlergebnisse wurden angezweifelt. Als die Unterzeichnung einer EU-Assoziierung der Ukraine unter dem Druck Russlands ausgesetzt wurde, begannen im November 2013 die Euromaidan genannten Proteste. Janukowytsch floh nach Russland.
 
Hier kommt der Krieg:
 
Im März 2014 annektierte Russland die Krim. Die ukrainische Armee war machtlos und schlecht ausgerüstet und leistete keinen Widerstand. Gleichzeitig begann eine Abspaltungsbewegung im Donbas (Donezk und Luhansk), die nicht von der Zivilbevölkerung ausging. Die neu gegründeten Milizen der Separatisten bestanden zu 90% aus russischen Soldaten, die für diesen Zweck von der Roten Armee „beurlaubt“ worden waren. Im Mai 2014 wurde der Oligarch Poroschenko (demokratisch!) zum ukrainischen Präsidenten gewählt. Am 5. September 2014 (Protokoll von Minsk) und am 12. Februar 2015 (Minsk II) wurden Abkommen geschlossen, die auf eine Befriedung des Konflikts in der östlichen Ukraine abzielten. Ein Schwachpunkt im Minsker Abkommen war, dass Russland nicht als Kriegspartei genannt wurde. Die vereinbarte Überwachung durch die OSZE blieb erfolglos, weil die separatistische Miliz sie nicht zuließ. (Die ukrainische Seite ließ die Überwachung durch die OSZE zu.) Gleichzeitig kamen weitere russische Soldaten mit schweren Waffen über die Grenze. Bereits kurz nach der Unterzeichnung der Vereinbarung traten russlandtreue Kämpfer sowie russische Truppen zum Sturm auf das Dorf Debalzewe an und eroberten den Ort drei Tage nach der offiziell verkündeten Waffenruhe, womit das Abkommen bereits gebrochen war. Im weiteren Verlauf schwelte der Konflikt mit wechselnder Intensität weiter. Im Juni griffen die regierungsfeindlichen Truppen den Ort Marjinka westlich von Donezk an, im August 2015 kam es im Frontabschnitt von Mariupol zu einem schweren (separatistischen) Angriff. Die Bevölkerung in den besetzten Gebieten hatte sich nur zu geringen Teilen an der Miliz beteiligt. Als Zeuge möchte ich Igor Girkin anführen, einen russischen Kriegshelden und militärischem Führer in Donezk, Blogger und verantwortlich für den Abschuss des malaysischen Flugzeugs MH17 im Juli 2014. Er ist gewiss unverdächtig, auf der Seite der Ukraine zu stehen. „Ich hätte nie gedacht, dass sich in der ganzen Region nicht einmal 1000 Männer finden, die bereit sind, ihr Leben zu riskieren.“ 2017 bestätigte Girkin, dass nicht eine „Landwehr“ aus Bürgern der Region, sondern die „reguläre Armee“ Russlands dort kämpfte. Am 21. Februar 2022 erklärte Putin, dass es für das Minsker Abkommen keine Aussichten mehr gäbe. Am selben Tag verkündete und unterzeichnete er die Anerkennung der selbstproklamierten und international nicht anerkannten „Volksrepubliken“ Lugansk und Donezk als eigenständige Staaten und ordnete eine Entsendung von Truppen in die von Separatisten kontrollierten Gebiete an. Damit war das einzige von allen Seiten unterzeichnete Dokument zur Beilegung des Konfliktes hinfällig. Also: Nicht die Ukraine hat das Minsker Abkommen aufgekündigt oder gebrochen, sondern die russische Seite hat die Durchführung von Anfang an sabotiert, schließlich hat Putin mit dem Einmarsch der russischen Truppen in die Ukraine das Abkommen de facto beendet. Danach gab es in den besetzten Gebieten eine „Volksabstimmung“. Das lief so ab, dass in jede Wohnung zwei bewaffnete Soldaten kamen, die aufpassten, dass alle ihr Kreuzchen machten. Die Wahlzettel durften nicht zusammengefaltet werden. Die Wahlurnen waren aus Glas.
 
Nato-Osterweiterung
 
Verschiedentlich wird behauptet, die NATO hätte sich in einem Vertrag dazu verpflichtet, keine Länder der ehemaligen Sowjetunion (oder vielleicht die Vasallenstaaten, also Polen, Ungarn etc.) aufzunehmen. Nur: Es gab niemals eine solche Vereinbarung.
NATO-Osterweiterung (Wikipedia)
 
Geschichte Russlands (gekürzte Kurzfassung)
(Auch das kann man überspringen, bis zur Lügenpresse)
 
Kiewer Rus 9. bis 13. Jahrhundert Mongolen 13. bis 15. Jahrhundert Moskauer Reich 15. bis 17. Jahrhundert (Iwan der Schreckliche), 1600 bis 1613 Zeit der Wirren (Smuta), 1613 Wahl von Michail Romanov zum Zaren, Regierung zunehmend autokratisch 1711 bis 1917 Petersburger Reich, Reformen unter Peter und Katharina. Reformen unter Alexander II.: Aufhebung der Leibeigenschaft, Reform von Bildung und Justiz, regionale Selbstverwaltung, allgemeine Wehrpflicht. 1863 Verbot der ukrainischen Sprache. Etwas Industrialisierung, 1905 Revolution, Duma (Parlament mit beschränkten Befugnissen). 1917 bürgerliche Revolution, November „Oktober-„Revolution, 1918 Bürgerkrieg „Weiß“ gegen „Rot“ Russlands Ost-, Süd-, Nord- und Westerweiterung Erobert wurden: Nowgoroder Bojarenrepublik (1477), Krieg mit Litauen um Teile Weißrusslands und der Ukraine, Kasan (1552), Astrachan (1556), Zugang zum Kaspischen Meer, Sibirien (Tatarstan, Baschkirien usw.), Krieg mit Polen-Litauen bis 1686. Krieg mit Schweden 1700 bis 1721 (Karelien, Estland, Livland und Südfinnland), Krieg mit dem Osmanischen Reich (Krim 1782), nördliche Schwarzmeerküste, Südukraine, Teile Litauens, Weißrusslands und der Kosaken-Ukraine. 1812 Sieg gegen Napoleon, Wiener Kongress 1814: Teile Polens, Finnland, Bessarabien. Der Krimkrieg 1853–1856 ging verloren. 1904-05 Niederlage gegen Japan, die Kurilen und Südsachalin gingen verloren. 1. Weltkrieg und Ende des Zarenreiches: Unabhängigkeit von Polen, Litauen, Lettland, Estland und Finnland. Ost-, Süd-, Nord- und Westerweiterung der Sowjetunion 1939-40 Angriff auf Finnland, „Winterkrieg“, Eroberung von Ostkarelien und Teilen Lapplands, die UdSSR wurde deshalb aus dem Völkerbund ausgeschlossen. 1940 (Hitler-Stalin-Pakt) Annektion von Estland, Lettland, Litauen, Bessarabien und der Nordbukowina. 2.Weltkrieg: Schlachten von Stalingrad und Kursk, die Rote Armee musste durch amerikanische und britische Waffenlieferungen gerettet werden (siehe Kapitel 3, „Leih- und Pachtgesetz“). Ab 1945 massive Repressionen gegen nichtrussische Nationalitäten: Deutsche, Krimtataren, Balten, Griechen, Tschetschenen, Ukrainer wurden ermordet oder deportiert. 1991 nach dem „Tauwetter“ Auflösung der Sowjetunion. Armenien, Aserbaidschan, Estland, Georgien, Kasachstan, Kirgisien, Lettland, Litauen, Moldawien, Tadschikistan, Turkmenien/Turkmenistan, Ukraine, Usbekistan, Weißrussland/Belarus wurden wieder selbstständig. 1994 Budapester Memorandum (siehe Kapitel 3: Verträge). 1994 Krieg gegen Tschetschenien. 1999 zweiter, siegreicher, Krieg gegen Tschetschenien. 2001 weitgehend unbekannte Diskussion um einen Rückkauf von Königsberg. 2014 Eroberung der Krim, „Unterstützung“ der „unterdrückten Völker“ im Donbass, in Bergkarabach, Syrien, Transnistrien, Abchasien und Südossetien. 2022 die „Spezialoperation“.
 
 
Ich zitiere aus Quellen, die ich für verlässlich halte. Welche Medien sind denn nun verlässlich?
 
Lügenpresse
 
Alle Presseerzeugnisse, d.h. periodisch erscheinende Druckwerke, auch Rundfunk- und Fersehsender oder Internetmedien, unterliegen dem Pressegesetz. Wer sich unzutreffend charakterisiert oder zitiert fühlt, kann nach §10 eine Gegendarstellung verlangen. Außerdem zitiere ich mit Vorliebe aus solchen Lügenpressen, in denen Tatsachen deutlich von Meinungen getrennt sind und die Quelle der Nachricht angegeben ist. Springer-Verlag und Boulevardpresse scheiden deshalb aus.

Soziale Medien
 
Blogs funktionieren grundsätzlich so, dass der Betreiber ein Thema anreißt, dann folgen Leserbriefe und Gastkommentare, alle im gleichen Tenor. Die Algorithmen von Google, Facebook, TikTok, Twitter/X sorgen dafür, dass sich schnell eine Fangemeinde einfindet. Wer mal nach Waschmaschinen gegoogelt hat, weiß, dass es danach haufenweise Waschmaschinenreklame regnet. Da alle der gleichen Meinung sind, können sie sich im Gefühl sonnen, dass sie „das Volk“ wären. Quellenangaben finden sich fast nie. Und weil bei den berichteten „Tatsachen“ die Emotionen gleich mitgeliefert werden, wird kaum ein Fan widersprechen oder gar im Internet nach gegenteiligen Aussagen suchen. Wer nur Blogs liest, in denen Putin nicht kritisiert wird, verpasst viele Nachrichten.

Ein kurzer Ausflug in die Geschichte des westdeutschen Sozialcharakters
Anno 1965 hatten wir den Kalten Krieg (=statische Friedensstiftung, im Gegensatz zu dem, was wir heute haben: dynamische Friedensstiftung). Die Jugend entdeckte die Rebellion. Das gipfelte im Wunsch nach einer selbstgewählten Frisur, und Sex haben zu dürfen. Die Bildzeitung konterte mit der Schlagzeile, man solle die Gammler in Erziehungslager stecken. Dann wurden die befreiten Teenager zu Latzhoseneltern. Sie erzogen die Kinder antiautoritär, nämlich gar nicht. Diese von Grenzen und Rücksicht befreiten Kinder wurden RAF-ler oder Hausbesetzer. Der Staat reagierte „mit aller Härte“. Und weil viele Hausbesetzer nichts gelernt hatten, wurden sie später Frührentner. Dann entdeckten die Latzhosenmütter, dass sie selbstlos und rechtlos waren – die Frauenemanzipation kam. Eine Erwerbstätigkeit von Ehefrauen war nicht verboten, doch bis 1977 hieß es in § 1356 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB): „Sie [die Frau] ist berechtigt, erwerbstätig zu sein, soweit dies mit ihren Pflichten in Ehe und Familie vereinbar ist.“ Und ob dies so war, hatte der Ehemann zu entscheiden: Er musste die Erlaubnis zum Arbeiten geben und konnte ihre Arbeitsverträge ohne die Zustimmung seiner Ehefrau eigenständig kündigen. Das änderte sich erst 1977. Seitdem heißt es: „Beide Ehegatten sind berechtigt, erwerbstätig zu sein.“ Derweil entdeckten die Männer nichts, vor allem nicht die Männeremanzipation.
Was ist denn das? Sind denn Männer nicht längst emanzipiert? „Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen.“ (Kant) Männer haben es (noch) leichter als Frauen, sich hinter der Leitung eines „anderen“ zu verstecken: Etablierten Verhaltensweisen wie Großmäuligkeit, Arroganz, Macht oder Geld, und Unaufrichtigkeit aller Art. Und sie sehen dabei richtig stark aus.
Wir haben hier also in Deutschland ein schönes Nebeneinander von ursprünglich „christlicher“ Selbstlosigkeit mit unendlicher Güte, die pazifistisch zuschaut, wenn Jemand seinen Nachbar abmurkst – und andererseits „Frech kommt weiter“, Ellenbogengesellschaft, die das Recht des Stärkeren feiert. Zu diesem Zweck wird die Menschheit in Gewinner und Verlierer (bzw. lebensunwertes Leben) geteilt, und man will ja lieber zu den Gewinnern gehören.
Wikipedia
 
Wikipedia-Artikel werden öffentlich diskutiert, und Jede/r ist berechtigt, Änderungen vorzunehmen. Bleibt ein Eintrag unwidersprochen und ist er gut mit Quellenangaben belegt, dann ist wahrscheinlich was dran. Andererseits werden Einträge mit unzureichenden Quellenangaben deutlich gekennzeichnet, und es kann passieren, dass sie deshalb nach einer Weile wieder gelöscht werden. Also: Wikipedia ist ein Soziales Medium.

Alternative Wahrheiten
 
Da Leserbriefe in Blogs und gelegentliche Äußerungen nicht dem Pressegesetz unterliegen, darf Jede/r sich frei äußern. Ob das dann wahr ist, steht auf einem anderen Blatt. Die fleißigste Partei im Internet ist die AfD. Vor Wahlen sind bis zu 40% der Videos bei Youtube oder TikTok AfD-Reklame, oft ohne die AfD direkt zu nennen, und gern kredenzt von sympathischen Frauen. Die anderen Parteien haben diese Methode verschlafen.

Russische Wahrheiten
 
Im Laufe seiner Regentschaft hat Putin die Meinungsfreiheit immer mehr eingeschränkt.

Exkursion: Notfallfunktion
Wenn Gefahr droht (oder man das glaubt), dann kippen wir in ein Verhaltensmuster, das schon Eidechsen kennen. Der Blutdruck steigt, die Muskeln spannen sich an, der Atem geht schneller etc., um bereit zu sein zum Kampf oder zur Flucht. Wenn Beides nicht möglich ist, dann hilft es nur, sich zu verstecken. Die ganze schöne Aufregung muss unterdrückt werden. Also Luft anhalten, nicht bewegen usw., das nennt man Angst. Autokraten schüren gern Angst. Wenn nun ein Potentat sagt, wir müssen unsere russischen Brüder und Schwestern vor dem ukrainischen Faschismus retten, dann soll das die Jungs in Stimmung bringen, damit sie gern in den Krieg ziehen.
Putin bedauert sehr, dass die russische Jugend nicht genügend vom Krieg begeistert ist, weil sie noch zu leicht ans Internet kommt. Anscheinend ist die Überwachung des Internets noch nicht so engmaschig wie in China. Putin erklärte, die Positionen Russlands und Chinas seien sehr ähnlich. Beide Länder seien entschieden gegen Staaten oder Staatenblöcke, welche anderen Staaten „Schaden zufügen“. Er selbst fügt natürlich niemand einen Schaden zu. Um so delikater ist es, dass China Landkarten veröffentlicht hat, auf denen Teile Russlands und Indiens als chinesisch gekennzeichnet sind. (Taiwan sowieso.) Indien hat protestiert, Russland nicht. Man stößt doch einen Freund nicht vor den Kopf, besonders wenn er Waffen liefert. Mit dem nordkoreanischen Diktator Kim Jong Un unterhält Putin beste Beziehungen. Zusammen beschworen sie den „heiligen Krieg gegen den Imperialismus“. Den westlichen Imperialismus natürlich. Deswegen auch die Waffenlieferungen. Putin wollte US-Wahl zugunsten von Trump beeinflussen. Putins Nachhilfe für den Brexit dürfte allgemein bekannt sein. In seinen Reden hat Putin immer wieder alternative Wahrheiten verbreitet.

Trollfabriken (Wikipedia): „Im November 2022 schrieb Jewgeni Prigoschin auf Vkontakte bezüglich russischer Einmischung in US-Wahlen: ,Wir haben uns eingemischt, wir tun es und wir werden es weiter tun´. Anfang 2023 gab Prigoschin offiziell zu, die Trollfabrik gegründet und geleitet zu haben.“
3 Wer hat welche Verträge unterschrieben bzw. gebrochen?


Leih- und Pachtgesetz 1941

(Siehe Kapitel 1) Nach der Schlacht von Stalingrad war die Sowjetunion militärisch fast besiegt. Nur durch das Eingreifen der USA konnte sie mit den Waffen versorgt werden, die schließlich den Krieg beendeten. Die USA schenkten der Sowjetunion fast 15000 Flugzeuge, über 7000 Panzer, große Mengen Waffen und Treibstoff. England schickte 3000 Flugzeuge. Die gegenwärtige Waffenhilfe des USA für die Ukraine beruft sich auf dieses Gesetz von 1941. Die anderen beteiligten Staaten haben ähnliche Parlamentsbeschlüsse erlassen.

UN-Charta 1945

Zwar nennt Putin seinen Angriff nicht „Krieg“, aber das nur aus kosmetischen Gründen. Es handelt sich jedenfalls um einen nicht provozierten völkerrechtswidrigen Angriff. Die Ukraine hat also gemäß § 51 UN-Charta das Recht, sich zu verteidigen, so lange der Angriff andauert. Sie hat auch das Recht, andere Länder um Hilfe zu bitten. Die Regierung der Ukraine ist demokratisch gewählt, und die große Mehrheit der Bevölkerung ist für diese Selbstverteidigung. Die Zustimmung des UN-Sicherheitsrats ist dazu nicht unbedingt erforderlich. Sie erfolgt auch deshalb nicht, weil Russland im Sicherheitsrat ein Veto dagegen eingelegt hat. Ersatzweise hat aber die Vollversammlung mit sehr großer Mehrheit den russischen Angriff verurteilt und das Recht der Ukraine auf Selbstverteidigung bestätigt.

KSZE-Schlussakte Helsinki 1975

Nach zweijährigen Verhandlungen vom 18. September 1973 bis zum 21. Juli 1975 in Genf wurde am 1. August 1975 die KSZE-Schlussakte in Helsinki unterschrieben. Die unterzeichnenden Staaten verpflichteten sich in dieser Absichtserklärung zur Unverletzlichkeit der Grenzen, zur friedlichen Regelung von Streitfällen, zur Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten sowie zur Wahrung der Menschenrechte und Grundfreiheiten.

Russland ist ständiges Mitglied im Sicherheitsrat. Warum?

Ursprünglich war die Sowjetunion das ständige Mitglied. Sie bestand aber bei der Gründung der UN 1945 aus drei Staaten: Russland, Ukraine und Weißrussland. Nach dem Zerfall der Sowjetunion nahm sich Russland 1991 den Sitz im Sicherheitsrat, einfach durch eine Mitteilung von Jelzin: Russland sei der Rechtsnachfolger der Sowjetunion. Es gab ukrainische Wortmeldungen, die die Mitgliedschaft Russlands im Sicherheitsrat als unrechtmäßig bezeichneten, weil Russland gegen die UN-Charta verstoßen hat. Der russische Angriff auf die Ukraine stelle ein Verbrechen der Aggression nach § 13 Absatz 1 Völkerstrafgesetzbuch dar. Ebenso gut könnte die Ukraine den Sitz im Sicherheitsrat beanspruchen. (Eben so, wie die Sowjetunion nach dem Überfall auf Finnland aus dem Völkerbund ausgeschlossen wude.)

Charta von Paris 1990

Die Staats- und Regierungschefs der Teilnehmerstaaten erklärten die Spaltung Europas für beendet, verpflichteten sich zur Demokratie als einzig legitime Regierungsform und sicherten ihren Völkern die Gewährleistung der Menschenrechte und Grundfreiheiten zu. Der Warschauer Pakt (1955-1991) war damit beendet.

Budapester Memorandum 1994

1994 wurde durch das Budapester Memorandum Russland der einzige slawische Staat mit Atomwaffen. Im Gegenzug bestätigten Russland, die USA und Großbritannien der Ukraine (und Weißrussland und Kasachstan) die territoriale Integrität. Allerdings wurde das Memorandum nicht durch Garantien anderer Länder abgesichert, es blieb also eine Absichtserklärung.

Über das Abkommen von Minsk (2014) habe ich bereits in Kapitel 1 ausführlich berichtet. Es wurde nur drei Tage lang eingehalten – bis zum Angriff der russlandtreuen Truppen auf Debalzewe. Auch danach hielt die russische Seite ihre Verpflichtungen gegenüber der OSZE (KSZE) nicht ein. Putin erklärte das Abkommen 2022 für beendet.

4 Wer hat was zerstört?

Menschen

Wie Putin verlautbart hat, ist die „Spezialoperation“ ein Akt christlicher Menschenliebe (siehe Kapitel 2, „Meinungen“). Manchmal werden allerdings auch Menschen beschädigt. Kollateralschaden nennt man das.
Eine Million Menschen verwundet oder tot (merkur) (25.9.2024)

Die ungleichen Opferzahlen könnten darauf zurück zu führen sein, dass die Ukrainer ihre Verwundeten in Sicherheit bringen, während die Russen eine andere Methode bevorzugen: So viele Soldaten wie möglich (gern aus nichtrussischen Nationen) werden schlecht ausgebildet und schlecht bewaffnet an die Front geschickt und sollen die ukrainischen Schützengräben stürmen, so lange, bis die Ukrainer keine Munition mehr haben.

Von Anfang an erklärte Putin, er wollte die Ukraine vernichten – oder wenigstens ihre Regierung. Das Volk sollte vom faschistischen Joch befreit werden. Die Ukraine wäre auch gar kein Staat, sondern ein Teil Russlands.

Die „Verschickung“ ukrainischer Kinder in den besetzten Gebieten wurde bereits von der UN als Kriegsverbrechen und Genozid bezeichnet. Gegen Putin liegt ein internationaler Haftbefehl vor. Die Methode war, den Eltern zu erklären, die Kinder müssten „vor den Kriegshandlungen in Sicherheit gebracht“ oder „zur Erholung geschickt“ werden, statt dessen wurden sie „umerzogen“ und von russischen Familien adoptiert, waren oft nicht mehr aufzufinden, weil sie inzwischen andere Namen hatten. Dokumentiert sind etwa 36.000 Fälle, es dürften aber wesentlich mehr sein – vor allem, weil die Eltern in den besetzten Gebieten sich nicht einfach bei der UNO beschweren können. Nur einige hundert Kinder konnten zurück geholt werden.

Häuser

Warum hört man eigentlich nichts von Zerstörungen auf russischem (oder besetztem) Gebiet?

Im Gebiet Belgorod wurden einige Einfamilienhäuser zerstört. In Moskau gingen durch ukrainische Drohnen mehrere Fensterscheiben zu Bruch. Darüber hinaus hat die Ukraine nur militärische Ziele angegriffen: Flugzeuge, Kriegsschiffe, Munitions- und Treibstofflager, die Kertsch-Brücke und das Hauptquartier der russischen Schwarzmeerflotte. Hätte es mehr Beschädigungen an zivilen Objekten gegeben, dann hätte doch die russische Seite sicher darüber berichtet, um die Verteidigung Russlands gegen die ukrainische Gefahr zu rechtfertigen. Nichts dergleichen wurde bekannt.

Die russische Armee nahm nicht nur militärische Objekte ins Visier. Von Anfang an waren Wohngebäude, Krankenhäuser, Schulen, Kirchen und Museen die Ziele. Zu Kriegsbeginn war die Ukraine nicht in der Lage, diese Objekte zu schützen, weil sie keine nennenswerte Luftverteidigung besaß. Erst später bekam sie Luftabwehrsysteme aus dem Westen. Spätere ukrainische Angriffe kamen dagegen nicht aus festen Stellungen, sondern von schnell wechselnden Standorten, damit die russische Artillerie keine Ziele finden konnte. Jetzt werden die zivilen Objekte durch die inzwischen aufgebaute Luftabwehr geschützt. An der Behauptung, die Ukraine hätte die Zivilbevölkerung als „menschliche Schutzschilde“ benutzt, dürfte also nichts dran sein.

Es dürfte einigermaßen absurd sein, zu unterstellen, dass die Ukraine aus Museen und Kirchen Raketen abfeuern würde. Eher wäre anzunehmen, dass die kulturelle Identität der Ukraine zerstört werden soll.

Bei Hafenanlagen könnte man ja noch unterstellen, dass sie militärisch genutzt werden könnten. Aber die Ukraine hat keine nennenswerte Kriegsmarine. Vielmehr sind es die Getreidevorräte, die zerstört werden sollen, und die Verladeeinrichtungen. Bisher wurden etwa 250000 Tonnen Getreide durch russische Angriffe vernichtet. Auch hier sind es also zivile Ziele.

Minen

Die russisch besetzten Teile der Ukraine sind jetzt das am stärksten verminte Land der Erde. Die russischen Minen sind so dicht platziert, dass streckenweise bis zu fünf Minen auf den Quadratmeter verlegt sind. Das Land muss später mit riesigem Aufwand geräumt werden, bevor man es wieder nutzen kann. Auch das Schwarze Meer ist voll russischer Minen.

Wer sprengte die Nordstream-Pipelines?

Man könnte ja annehmen, da die Pipelines russisches Eigentum waren, dass ihre Zerstörung der Ukraine nützen könnte. Bewiesen ist aber gar nichts. Wenn es die Ukraine gewesen ist, dann hätte sie sich international unbeliebt gemacht, weil es ein ziviles Ziel in internationalen Gewässern war. Die Ukraine hat sich auch nicht damit gerühmt, wie sie es nach den Angriffen auf die Kertsch-Brücke getan hat. Alles, was man weiß, ist, dass einige Leute, die jetzt nicht zu finden sind (bis auf die eine Frau, die in Russland gesehen wurde), mit einem Segelboot in der Nähe waren, und dass man auf diesem Segelboot Sprengstoffreste gefunden hat. Aber: Auch russische Schiffe waren kurz vor den Explosionen in dem fraglichen Seegebiet, und eines hatte sogar ein kleines Unterseeboot dabei. Selbstverständlich hat niemand auf den russischen Schiffen nach Sprengstoffresten gesucht.

Wer sprengte den Kachowka-Staudamm?

Neben der Verwüstung des Landes durch Minen, Bomben- und Raketenangriffe war die größte Katastrophe die Sprengung des Kachowka-Staudammes. Nach russischen Angaben war es eine ukrainische Rakete. Aber: Was soll die Ukraine davon haben? Die Wasserversorgung für die südöstliche Ukraine und die Krim ist zerstört, das Land ist ohne Bewässerung unfruchtbar, 37.000 Wohnungen wurden überschwemmt, und die russischen Landminen wurden großflächig verteilt, bis ins Schwarze Meer. Außerdem wurde in einem entscheidenden Moment die ukrainische Gegenoffensive behindert. Wer also war es? Die Russen hielten das Gebiet um die Staumauer besetzt. Sie hatten freien Zugang. Auf Drohnenfotos ist auch zu sehen, dass kurz vor der Explosion russische Militärfahrzeuge an der Staumauer zu sehen waren – und rechtzeitig weg fuhren.

5 Wer hat ein Interesse am Krieg?

Warum überhaupt Krieg?

Schon Tiere stehlen sich gegenseitig das Futter. Seit die Menschen Vorräte angelegt haben, gab es immer Nachbarn, die keine Vorräte hatten. Also mussten die Stärksten (meist Männer) Knüppel, Schwerter oder Kanonen in die Hand nehmen, um die Vorräte zu verteidigen, und die Angreifer mussten es auch. Später ging es um Land, Macht, Reichtum oder Rohstoffe. Die üblichen buddhistischen Untugenden „Gier, Hass und Ignoranz“ reichen nicht als Erklärung, denn Gier und Hass gibt es nur dort, wo es etwas zu begehren gibt. Und für Ignoranz sorgen die Kriegsparteien selbst, wie schon im Kapitel über die Meinungen erklärt. Auch Religionen, eigentlich eine nette Erfindung, sind kein ausreichender Kriegsgrund, sie können aber sehr gut für Propaganda (und Ignoranz) benutzt werden.

Nach neueren Erkenntnissen (die mir plausibel scheinen) enden Großreiche oft dadurch, dass Klimaveränderungen und Epidemien die Wirtschaft so sehr schädigen, dass der Staat sich nicht mehr gegen äußere Angriffe wehren kann. Das Ende der Mayas kam durch eine Dürre, die sie selbst durch Abholzen des Regenwaldes herbeigeführt hatten. Das Weströmische Reich endete nicht nur durch Angriffe der Hunnen (deren Wanderungen möglicherweise durch eine Dürre in China angestoßen wurden) und Wandalen, sondern es war schon geschwächt durch Epidemien und Vulkanausbrüche, die mehrjährige Ernteausfälle verursachten. Ähnlich ging es in Europa mit der „Kleinen Eiszeit“ zu (ca. 1500 bis 1920). Syphilis (von Kolumbus aus der Karibik importiert), Pest, Cholera (durch einen Vulkanausbruch in Indonesien ausgelöst) und Spanische Grippe fielen in eine Zeit von Frost und Missernten. Wer nichts zu essen hat, überfällt den Nachbarn und plündert dort. Man kann (siehe Ignoranz) auch die Religion benutzen, um die eigene Machtgier zu umkleiden. Vom Dreißigjährigen Krieg bis zum Ersten Weltkrieg kam Europa nicht mehr zur Ruhe. Der Zweite Weltkrieg hatte andere Gründe, hauptsächlich Hitlers und Stalins (und jetzt auch Putins) Größenwahn (mit den selbstgemachten Hungersnöten 1929-1934), und der Gier nach Rohstoffen. Und heute haben wir wieder die klassische Situation: HIV und Corona, dazu die schnellste Klimaveränderung aller Zeiten. Dürren in der Sahelzone, Überschwemmungen und Waldbrände überall haben gewaltige Flüchtlingsströme ausgelöst (was Putin nützt). Es ist nicht abzusehen, dass sie aufhören werden. Wir sind schon mitten in der nächsten Völkerwanderung. Und deshalb gibt es wieder Krieg in Europa.

Wikipedia: Der Untergang des römischen Reiches – 31.10.2023 um 15:32 Uhr (stark gekürzt. wb):  „Erweitert werden die neueren Erklärungsansätze für den Niedergang des Römischen Reiches durch umweltgeschichtliche Aspekte, wie sie Kyle Harper thematisiert. Zugrunde gelegt wird dabei der Prozess der politischen und ökonomischen Veränderung vom 2. Jahrhundert n. Chr., in dem das Römische Reich eine bevölkerungsreiche, urbanisierte, vernetzte politische Einheit gebildet habe, bis zum 7. Jahrhundert, da es zu einer zersplitterten, agrarischen, wirtschaftlich geschwächten Staatengruppe geworden sei. Daran haben laut Harper Klimawandel und Pandemien mitgewirkt. Während der 300 Jahre bis 200 n. Chr. sei das Klima relativ stabil feucht-warm gewesen und habe ertragreiche Ernten begünstigt. In der Endphase des Römischen Reiches hingegen sei das Klima instabil geworden, wie die paläoklimatische Forschung zeige. Seit den späten 160er Jahren habe eine Seuche, die sogenannte Antoninische Pest, als erste auf mehreren Kontinenten wütende Pandemie zu einem starken Bevölkerungsrückgang geführt, u. a. mit der Folge von Soldaten- und Arbeitskräftemangel. Weitere Rückschläge brachten die Cyprianische Pest im 3. Jahrhundert und die Justinianische Pest im 6. Jahrhundert.“ Pocken gab es auch noch.

Es war nicht die erste Klimakatastrophe. Ab etwa 1250 v.Chr. wurde es kälter, Dürre und Hungersnöte folgten, Wirtschaftsflüchtlinge (die „Seevölker“) kamen übers Mittelmeer, und das war das Ende für Mykene, die Staaten Hatti und Mittani, die Städte Troja und Megiddo (=“Armageddon“) und das ägyptische Neue Reich.

Wer Krieg möchte, meint es ernst. Er unterteilt die Menschen in Freunde und Feinde. Freunde sollen bitte loyal sein und keine Kritik äußern, sonst sind sie Nestbeschmutzer. Darum haben Diktatoren keinen Humor und dulden ihn auch nicht. Opposition ist in Russland nicht erwünscht. Die Ukraine hat wenigstens zu Anfang den Humor nicht verloren, aber er schmilzt.

Wer will in der Ukraine den Krieg?

Oligarchen

Um mal auf YYYs Argument zurück zu kommen, „da sind ja alles Oligarchen“: Oligarchen gibt es überall auf der Welt. Der letzte US-Präsident, der kein Millionär war, war Truman. In Deutschland gibt es 226 Milliardäre, und selbstverständlich wollen sie Einfluss auf die Politik nehmen und möglichst keine Steuern zahlen. Russland hat eine lange Geschichte von Leuten, die sich bereichert haben, was ja die Oktoberrevolution ausgelöst hat. Danach hat sich hauptsächlich der Staat bereichert, und als durch die Miss- und Planwirtschaft 1990 alles auseinander fiel, da bereicherten sich Etliche am Import von Bananen und Farbfernsehern.

Ukrainische Oligarchen

Die ukrainischen Oligarchen haben durch den Krieg etwa zwei Drittel ihres Vermögens verloren. Poroschenko, als er gewählt wurde, sah die Gefahr und fing an, die rückständige ukrainische Armee zu modernisieren, allerdings noch ohne Hilfe aus dem Westen. Achmetov, dem u.a. das Asov-Stahlwerk gehörte, gab Geld für die ukrainische Armee. Selenski versucht, den Einfluss der Oligarchen in Grenzen zu halten, schon um die Aufnahme der Ukraine in die EU nicht zu gefährden. Seit 2021 gibt es ein Gesetz, das Oligarchen verbietet, Einfluss auf die Politik zu nehmen. Poroschenko könnte also jetzt nicht mehr Präsident werden. Die ukrainische Staatsanwaltschaft ist aufmerksam auf illegale Geschäfte und erhebt auch Anklagen gegen Oligarchen.

Russische Oligarchen

Die russischen Oligarchen sind berühmt. Wie überall im gesamten Ex-Ostblock haben findige Investoren zugegriffen (Ostdeutschland nicht ausgenommen, man erinnert sich an die Treuhand und die Leute, die sich da bedient haben). Einer der Reichsten ist Putin. Sein Vermögen ist schwer zu schätzen, es sind sicherlich weit über 100 Milliarden Dollar. Er sorgt jetzt dafür, dass die anderen Oligarchen nicht zu mächtig werden. Eigentlich wollen Kaufleute keine Kriege, es sei denn, dass sie sich dadurch bereichern können, wie Prigoschin selig. Wer nicht Putins Krieg unterstützt oder auf andere Art ihm gefährlich wird, der fällt zufällig aus dem Fenster, oder er nimmt die falsche Arznei, oder er wird nur eingesperrt. Auch die Amerikaner kennen dieses Rezept. Als General Patton sich 1945 am Reichsbankgold vergriff, hatte er kurz darauf einen Autounfall.

Korruption

Orban gab neulich von sich „Die Ukraine ist auf allen Ebenen korrupt“, und der neu gewählte Fico in der Slowakei (der 2018 der Hauptverdächtige für die Ermordung des Journalisten Ján Kuciak war) verkündete, die Ukraine wäre „einer der korruptesten Staaten der Welt“. Ja, Korruption ist weit verbreitet, besonders auf dem Balkan (zu dem sich Ungarn und die Slowakei nicht zählen wollen), und in Italien mit der immer noch blühenden Mafia (und Kollegen), die sich längst über die ganze Welt ausgebreitet hat. In der Liste von Transparency International steht die Ukraine auf Platz 116. Immerhin bescheinigt TI der Ukraine bedeutende Fortschritte in der Korruptionsbekämpfung, und im November 2023 erklärte Frau vdL, dass die Ukraine 90% der Auflagen für die EU-Aufnahme in die EU erfüllt hätte – auch bei der Korruption. Russland steht auf Platz 137. Ungarn und die Slowakei sind selbst nicht ganz sauber. Die Slowakei besetzt Platz 49, Ungarn sogar Platz 77 (zusammen mit Vietnam). (Wer im Glaushaus sitzt, sollte nicht mit Steinen schmeißen.)

Getreide

Russland und die Ukraine gehören zu den größten Getreideexporteuren der Welt. Ich habe bereits im vorigen Kapitel (4 Wer hat was zerstört) beschrieben, wie sich Russland einen unliebsamen Konkurrenten vom Hals schaffen möchte. Ist Getreide eine Waffe, die Russland bedroht?

Rohstoffe und Industrie

Als Hitler die Sowjetunion überfiel, war das natürlich nicht für das „Volk ohne Raum“. Es ging um Macht und Geld. Besonders ging es um das Donezk-Gebiet. Dort war der Erzbergbau und die Schwerindustrie der Sowjetunion konzentriert, und ohne diese Industrie war die Sowjetunion auf ihre schwindenden Vorräte angewiesen und war kurz nach Stalingrad so geschwächt, dass sie nur durch die amerikanischen Waffenlieferungen gerettet werden konnte (siehe 1 Wer hat diesen Krieg angefangen?). Auch jetzt geht es Putin nicht um die angebliche Befreiung des Volkes in Donezk und Lugansk, sondern um die Bodenschätze und die Industrie.

Also: Es geht Putin nicht darum, „unsere russischen Brüder und Schwestern im Dosbass zu befreien“, es geht auch nicht darum, die ganze Ukraine vom Fschismus zu befreien. Es geht um Macht und Geld.

Natürlich geht es auch für die USA und die NATO um Geld. Die Ukraine hatte sich bereits als Produktions- und Konsumstätte für die westliche Finanzwirtschaft etabliert, deshalb sind die USA auch daran interessiert, die alten Verträge (Leih- und Pachtgesetz, siehe Kapitel 2 und 3, und das Budapester Memorandum) einzuhalten. (Das gilt nicht für Trump, der von alledem nichts weiß.)

6 Meine Meinung

25.9.2024

Krieg in Europa – das ist auch für uns eine Bedrohung. Es reicht nicht, zu beschwichtigen oder keine Waffen zu liefern. „Stell dir vor, es gibt Krieg, und keiner kann weg laufen…“ 1938 war ein schönes Beispiel: England wollte Hitler beschwichtigen, indem man ihm die Tschechoslowakei zum Fraß vorwarf. Das ist die Methode der Schafe, die hoffen, dass der Wolf sie nicht alle frisst, wenn man ihm ein Schaf zum Fressen überlässt.
Nun sind die Ukrainer aber keine Schafe. Sie sind mit großer Mehrheit dafür, sich gegen Putin zu verteidigen. Deshalb ist es das Ziel der ukrainischen Regierung, alle von den Russen eroberten Gebiete zurück zu gewinnen. Damit sieht es zur Zeit trübe aus. Putin wollte erst die ganze Ukraine zerschlagen und eine Regierung von seinen Gnaden einsetzen. Das hat nicht funktioniert, jetzt möchte er nur noch die eroberten Gebiete behalten. Verhandeln will er nur, wenn diese Bedingung erfüllt wird. Die Positionen sind unvereinbar, also wird auch nicht verhandelt. Wenn AfD und Wagenknecht behaupten, man müsse ja nur verhandeln, dann ist das Traumtänzerei: Putin will nicht verhandeln. Auch die Idee, man müsste nur der Ukraine keine Waffen liefern, dann würde Frieden einkehren, ist naiv. Putin würde weiter machen.
Ich bin, wie man weiß, nicht neutral. Was Putin tut, ist Völkermord. Das widerspricht allem, was die UNO vertritt (und was Russland unterschrieben hat). Ich spreche ausdrücklich von Putin, nicht von den Russen. Die russische Zivilbevölkerung ist belogen und betrogen worden, und die Soldaten sind kriegsmüde. Die Schützengräben beider Seiten sind kalt und schlammig und voll von Ratten und Mäusen. Die ukrainischen Soldaten bekommen einige Erholungspausen, und Verwundete werden geborgen – die russischen Soldaten nicht, sie sind einfach Kanonenfutter. Die Fronten haben sich festgefahren, das Land ist vermint und wirtschaftlich ruiniert. Wenigstens das hat Putin geschafft.
Putin wird weiter Raketen schicken, sonst wird sich nicht mehr viel bewegen. Er hofft, dass die westlichen Schafe den Krieg vergessen und die Ukraine im Stich lassen. Ganz so wird das nicht passieren, aber die Waffenlieferungen werden nachlassen, weil die NATO keine Waffen mehr hat und nicht auf Kriegsproduktion eingestellt ist. Russland gibt 29% seines Staatshaushalts für den Krieg aus und bekommt noch Waffen aus Nordkorea und dem Iran.
Derweile sorgt Putin im Nahen Osten für Ablenkung. Als Israel bereit war, Waffen an die Ukraine zu liefern, griff die Hamas Israel an – die Absprache zwischen Putin und dem Iran ist ziemlich offensichtlich. Dass Israel selbst Waffen braucht, hält die USA beschäftigt.
Putin denkt längst in größeren Zusammenhängen. Er ist mit Persien (und Nordkorea) verbündet, und die Nahostkonflikte halten die USA von Europa fern.
Die Ukraine kann erreichen, dass sich die russische Schwarzmeerflotte auf Abstand halten muss. Was nicht funktionieren kann, ist eine Rückgewinnung der Krim. Auch wenn sie militärisch fallen sollte, dann müsste das durch eine demokratische Volksabstimmung legitimiert werden. Aber sie war seit der Eroberung durch Katharina russisch, und jetzt leben dort mehr Russen als vor dem Krieg, und sie werden nicht für die Ukraine stimmen – außer die Krimtataren, die von Stalin unterdrückt und größtenteils deportiert wurden. Man könnte die neuen Russen als „zivile Besatzungstruppen“ deklarieren, aber das ist völkerrechtlich zweifelhaft.
Die besetzte Ost-Ukraine wird wahrscheinlich verloren sein. Die Ukraine wird das nicht anerkennen, aber im Übrigen wird sich die Ukraine der EU und der NATO anschließen. Moldawien wird das Gleiche tun, und wenn es wirtschaftlich aufgeholt hat, wird es sich mit Rumänien vereinigen. Transnistrien wird vielleicht irgendwann aufgeben.
Aber das andere Szenario ist auch noch möglich: Der Westen liefert nicht genügend Waffen, die Ukraine bricht zusammen und wird von Russland geschluckt. Sobald Odessa erobert ist, wird Transnistrien russisch. Dann kommt der nächste Streich. Die russische Propaganda spricht bereits von der Eroberung des Baltikums. Dann kommen die baltischen Staaten dran, und Moldawien. Ungarn ist schon fast wieder ein russischer Vasallenstaat, ohne Pressefreiheit, mit Schwulenhatz und mit einer Einparteienregierung. Es ist ein Wunder, dass Ungarn noch in der NATO ist.
Ich möchte meinen bescheidenen Beitrag dafür leisten, dass wir (ganz Europa) in Frieden leben können.
Wolfgang Baer