Tagesspiegel
Mittwoch, 29.05.2024 – von Dana Schülbe
Liebe Leserinnen und Leser,
schon seit Beginn des Krieges wird Russland vorgeworfen, Zehntausende Kinder aus den besetzten ukrainischen Gebieten entführt und in vielen Fällen in Umerziehungslager gesteckt zu haben. Aus diesem Grund hatte der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag 2023 Haftbefehl gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin und die russische Kinderbeauftragte Maria Lvova-Belova erlassen. Nun gibt es offenbar eine neue Welle solcher Umerziehungen – unter dem Deckmantel von Sommerlagern.
Der Chef der selbsternannten Volksrepublik Luhansk, Leonid Pasechnik, gab vor zwei Tagen bekannt, dass im Laufe dieses Jahres mehr als 12.000 Kinder in Regionen der russischen Föderation „aufgenommen“ werden sollen und dass 40.000 Kinder aus den besetzten ukrainischen Gebieten zu „Sommerlagern“ und „Bildungsaktivitäten“ im Rahmen des Programms „Nützliche Ferien“ nach Russland „eingeladen“ würden. Das berichtet das Institut für Kriegsstudien (ISW) in seinem aktuellen Bericht (Quelle hier).
Die Besatzer in der Region Cherson kündigten zudem an, Kinder zu einem Sommerlager auf die Krim oder in die Region Adygea im Nordkaukasus im Süden Russlands zu schicken. Jugendliche aus Luhansk sollen außerdem an einem „militärisch-patriotischen Sportlager“ in der Region Wolgograd teilnehmen, wo sie unter anderem in Militärtechnik, Taktik, Schießen und im Drohneneinsatz geschult werden sollen.
Dass solche Lager als Erholungs- und Bildungsmaßnahmen dargestellt werden, ist ein typisches Mittel der russischen Propaganda. Dahinter stecken aber Russifizierungsprogramme, um die Kinder von der ukrainischen Sprache, Kultur und Geschichte zu entfremden. Die Experten vom ISW gehen davon aus, dass diese Maßnahmen den ganzen Sommer verstärkt unter dem Deckmantel von Sommerlagern verstärkt werden sollen.