FAZ
Ukrainischer Oligarch und einstiger Selenskyj-Förderer in U-Haft
03.09.2023, 05:35
Ein Gericht in Kiew ordnet für einen der reichsten Geschäftsmänner der Ukraine Untersuchungshaft an. Präsident Selenskyj will damit auch zeigen, dass er westliche Forderungen erfüllt. Der Überblick.
Einer der reichsten Unternehmer der Ukraine, der einst als Förderer des heutigen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj galt, ist in Untersuchungshaft genommen worden. Selenskyj nahm den Fall des prominenten Oligarchen Ihor Kolomojskyj als Anlass für eine demonstrative Botschaft gegen Korruption und Wirtschaftskriminalität: Wer das Land ausraube und sich selbst über das Gesetz stelle, werde damit nicht mehr weitermachen können wie bislang, versprach der Staatschef in seiner am Samstagabend in Kiew verbreiteten täglichen Videobotschaft. Kurz zuvor war der 60 Jahre alte Milliardär Kolomojskyj unter anderem wegen Betrugsverdachts in Haft genommen.
„Rechtsstaatlichkeit muss obsiegen“, betonte Selenskyj. Es sei wichtig, dass es auch in Verfahren Gerechtigkeit gebe, die seit Jahren nicht verfolgt worden seien. Mit diesen Aussagen reagierte der Staatschef vor allem auf Forderungen des Westens, Fälle von Korruption und anderen kriminellen Machenschaften strikter zu ahnden. Als wichtigste Unterstützer der Ukraine in ihrem Verteidigungskampf gegen den russischen Angriffskrieg erwarten die USA noch in diesem Monat einen weiteren Besuch Selenskyjs. Er will bei der Generalversammlung der Vereinten Nation in New York eine Rede halten.
Das zuständige Gericht in Kiew ordnete am Samstag eine zunächst bis 31. Oktober gültige Untersuchungshaft für Kolomojskyj an, wie die Internetzeitung „Ukrajinska Prawda“ berichtete. Zugleich wurde eine Kaution von knapp 510 Millionen Hrywnja (rund 12,7 Millionen Euro) angesetzt, bei deren Zahlung der Geschäftsmann bis zur Gerichtsverhandlung wieder auf freien Fuß käme. Dem Bericht zufolge äußerten sich am Samstag weder Kolomojskyj noch die Staatsanwaltschaft zu den Vorwürfen. Zu sehen war der Oligarch in einem Video auf der Anklagebank.
Geheimdienst SBU präsentiert Vorwürfe gegen Oligarchen
Zuvor hatte der Geheimdienst SBU bei Telegram mitgeteilt, dass dem Eigentümer einer Unternehmensgruppe für Finanz- und Industriegeschäfte kriminelle Machenschaften vorgeworfen werden, darunter die Legalisierung von unrechtmäßig erworbenem Eigentum. Kolomojskyj soll zwischen 2013 und 2020 mehr als eine halbe Milliarde Hrywnja ins Ausland geschafft haben. Die Ermittlungen unter Aufsicht der Generalstaatsanwaltschaft seien noch nicht abgeschlossen, hieß es.
Gegen Kolomojskyj wird bereits seit vorigem Jahr ermittelt, es gab auch mehrere Hausdurchsuchungen bei ihm. Im November wurden Kolomojskyjs Beteiligungen an halbstaatlichen Erdöl- und Erdgasunternehmen wegen des Krieges mit Russland beschlagnahmt. Im Februar war dann von einer „Unterschlagung von Erdölprodukten“ im Wert von umgerechnet 930 Millionen Euro die Rede.
Selenskyj hatte sich zuletzt von Kolomojskyj distanziert und ihm Berichten zufolge auch die ukrainische Staatsbürgerschaft entzogen. Der Staatschef hatte ein entschlosseneres Vorgehen gegen die mächtigen ukrainischen Oligarchen angekündigt. Kolomojskyj galt als Förderer Selenskyjs vor dessen Wahl zum Präsidenten 2019.
Quelle: dpa